Brutal!

2016-01-06
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“Lasst uns brutales und schonungsloses Feedback üben”. So eröffnete unser Abteilungsleiter die erweiterte Führungsklausur. Ich schmunzelte. Ich habe eine eher direkte Art. Gemäss Feedback verstörend für die Einen, erfrischend für die Anderen. Wir versuchten es, kamen aber nicht sonderlich weit. Zu tief drin sind antrainierten Zurückhaltungsregeln.

Brutales Feedback fiel mir seit da immer wieder auf. Ausgelöst durch einen Artikel über die Arbeitsumstände bei Amazon, diskutierten Ben Thompson und John Gruber in der letzten «The Talk Show» über Arbeitskultur bei Apple und Microsoft wo Ben Thompson gearbeitet hat. 
 Apple ist bekannt für seine schonungslose Ausrichtung auf Produktentwicklung. Eine seiner Präsentationen sei so heftig kritisiert worden, er habe danach an seinem Pult geweint. Er habe sich dann aber zusammen gerafft und einige der besten Arbeitsergebnisse seiner Karriere dort erbracht. Die Kritik ging nicht an seine Person, sondern an sein Ergebnis. Jony Ive habe mal eine Präsentation gut bewertet, wofür er von Steve Jobs angeblich heftig kritisiert wurde. Die Bewertung sei egoistisch. Ive habe nur gewollt, dass der Präsentierende ihn mag. Ive hätte genau gewusst, dass das Ergebnis nicht spitze war.

Ben Thompson sagte Microsoft sei in seinen Bill Gates Tagen ebenfalls so gewesen. Schonungslos und fokussiert auf Wirkung. Erst mit der Zeit seien die politischen Ränkespiele gekommen. Und man habe gemerkt, dass Meetings angenehmer wurden. Weniger Kritik, weniger schonungslos. Die kritische Energie hatte andere Gefässe gefunden. Statt offen darüber zu reden, fing man an im Hintergrund Fäden zu ziehen und sich gegenseitig im Weg zu stehen. Ob das zu Microsofts aktueller Situation führte ist unklar. Hilfreich war es sicher nicht.

Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche schonungslose Kommunikation ist Pixar. In der von ihr «Braintrust» genannten Gruppe, werden Filme schonungslos analysiert. Die Offenheit und Echtheit sei dabei ein Schlüsselelement. Dabei sind gewisse Fakten als Wahrheit akzeptiert. Beispielsweise die Tatsache, dass in komplexen Themen jeder irgendwann den Überblick verliert. Damit wird es einfacher schonungslos zu kommunizieren, da niemand den Verlust von Überblick als Schwäche sieht.

In meinen Firmenkultur-Überlegungen stolpere ich auch immer wieder über den «VP of devils advocacy». Eine benannte Stelle oder Gruppe, die speziell einstimmige Entscheide hinterfragt. Nicht mühsam aus Prinzip, sondern ausgestattet mit grossem Wissen und mit der Aufgabe nicht in zu einfache Denkfallen zu fallen.

All diese Beispiele zeigen, dass unser Abteilungsleiter recht hatte. Wir würden von brutalem und schonungslosem Feedback profitieren. Thematisch jedenfalls. Menschlich ist es natürlich eine enorme Gratwanderung. Aber die Definition von Axiomen, die Bildung eines «Devils Advocacy» Gremiums und das Üben von direktem Feedback sind meines Erachtens «no regret moves».